Microsoft 365 Copilot: Braucht man das?

 

Microsoft 365 Copilot

 

Im Herbst 2023 startet Microsoft seinen KI-Assistenten mit dem etwas sperrigen Namen „Microsoft 365 Copilot“. Allerdings wird diese Funktion nicht kostenlos ausgerollt: Firmenkunden sollen pro Arbeitsplatz 30 US-$ bezahlen. Damit stellt sich die Frage, ob man das in jedem Unternehmen und an jedem Arbeitsplatz braucht.

Microsoft macht Ernst und rollt Künstliche Intelligenz auf breiter Ebene in praktisch allen Office-Programmen als auch auf der Ebene des Betriebssystems (Windows 11) aus. Einige der Neuerungen sollen noch im September 2023 ausgerollt werden, die entscheidenden Funktionen werden ab November verfügbar sein. Sehr viele Unternehmen stehen damit vor der Entscheidung, ob sie dieses Angebot von Microsoft nutzen möchten.

Ganz billig wird es nicht sein: Für die USA sind Preise von 30 US-$ pro Arbeitsplatz vorgesehen. Damit wird Microsoft 365 Copilot kein Schnäppchen. Lohnt sich das?

Meines Erachtens kommt diese Einführung zu früh. Künstliche Intelligenz in Form von Large Language Models ist zwar eine faszinierende Technik, die durchaus ihre Vorzüge hat. Aber sie ist zugleich auch noch nicht wirklich ausgereift: Die Modelle, egal von welchem Anbieter, halluzinieren noch viel zu viel.

Für versierte Nutzer ist das kein Problem: Sie wissen um diese Schwäche und können damit gut umgehen. Auf breiter Ebene ausgerollt jedoch, können damit schnell Probleme aufkommen. Etwa wenn in einem Unternehmen ein Text einfach schnell von der KI-Assistenz erstellt und nicht genauer überprüft, sondern etwa in Form eines Angebots sofort an Kunden verschickt wird.

Dazu kommt: Bis heute gibt es noch nicht so viele Einsatzfelder, auf denen Large Language Models wie der Copilot von Microsoft wirklich punkten können:

  1. Unternehmensberatungen können intern davon erheblich profitieren. Das ist inzwischen auch schon in Form von Studien nachgewiesen.
  2. Die Software-Entwicklung profitiert ebenfalls davon, ist aber nicht unbedingt auf die Office-Integration von Microsoft angewiesen.
  3. Im Marketing ist der Einsatz ebenfalls vorteilhaft. Aber dafür gibt es längst spezielle Lösungen von Dritt-Anbietern (z. B. JasperAI), sofern man nicht direkt Kunde bei OpenAI ist (ChatGPT Plus).
  4. Das Controlling bzw. die Datenanalyse kann bei der Untersuchung sehr großer Datenmengen bzw. Tabellen von den Fähigkeiten etwa des Code Interpreter (OpenAI) erheblich profitieren.
  5. Bekanntlich nutzen Schüler und Studenten die Fähigkeiten von Large Language Models, um schneller mit ihren Hausaufgaben oder Hausarbeiten fertig zu sein. Aber das ist eine andere Geschichte.

Insgesamt ist das schon beeindruckend viel, wenn man bedenkt dass diese Technologie vor einem Jahr so noch überhaupt nicht verfügbar war. Aber es ist vielleicht auch noch nicht genug, um schon ein Angebot wie den Microsoft 365 Copilot auf breiter Ebene unternehmensintern auszurollen.

Gibt es Alternativen?

Zunächst wäre da das kostenlose Angebot von Microsoft, nämlich den Bing Chat im Edge-Browser. Dahinter steckt als Large Language Model GPT-4 von OpenAI und somit das Beste, was es derzeit am Markt gibt. Die Nutzung mag vielleicht nicht ganz so praktisch sein wie die direkte Integration in Programme wie Word oder Outlook. Aber wer auf die Schnelle eine Erklärung oder einen Textbaustein benötigt, wird auch mit dem Bing Chat zurecht kommen.

An zweiter Stelle steht natürlich ChatGPT von OpenAI. In der kostenlosen Version erhält man zwar nur Zugriff auf das Modell GPT-3.5 (Turbo). Aber das ist keine schlechte Wahl, zumal der Funktionsumfang laufend erweitert wird. Zuletzt kamen etwa die Custom Instructions dazu, mit denen man das Prompting gezielt auf die eigenen Bedürfnisse ausrichten kann, was zu besseren Antworten des Modells führt.

Ein Geheimtipp ist die in Deutschland weitgehend unbekannte App Poe von Quora. Damit erhält man Zugang zu unterschiedlichen Large Language Models, darunter natürlich ChatGPT und GPT-4, aber auch zu Claude von Anthropic sowie eine Reihe exotischerer Chatbots. Poe gibt es in einer kostenlosen und einer kostenpflichtigen Variante. Der große Vorteil hier ist, dass man unterschiedliche Modelle an einer Stelle hat und man somit die gleiche Frage mit mehreren Large Language Models testen kann. Poe gibt es auch als App für Smartphones sowie für die Mac-Rechner von Apple.

Unternehmen sollten also nichts überstürzen. Sinnvoll ist eine allmähliche Einführung von Künstlicher Intelligenz, zunächst vielleicht gezielt für ganz bestimmte Bereiche. Die Praktiker dort haben auch vielleicht schon Vorstellungen davon, welche KI bzw. welches Large Language Model sie konkret nutzen wollen. Im Rahmen einer Pilot-Phase kann auch das Angebot von Microsoft getestet werden, aber wohl eher nicht als Rollout im ganzen Unternehmen.

Wer wirklich (viel) Geld investieren möchte, sollte sich neben dem Microsoft 365 Copilot unbedingt auch ChatGPT Enterprise von OpenAI ansehen. Hier bekommt man auf Wunsch ein maßgeschneidertes Angebot, bei dem auch firmeninterne Wissens-Datenbanken mit der KI von OpenAI verbunden werden können. Das ist dann KI auf der Basis der unternehmenseigenen Daten und nicht nur eine Assistenz-Funktion, die einen Text oder eine E-Mail überblickt. Aber sehr wahrscheinlich werden dafür dann auch ganz andere Preise aufgerufen. Der Text von OpenAI schweigt sich dazu vornehm aus.

Bei allen Entscheidungen muss immer mitbedacht werden, dass diese Technologie noch längst nicht zu Ende entwickelt ist. In nächster Zeit werden jedes Jahr neue Large Language Models auf den Markt gebracht werden, die besser als ihre Vorgänger sein werden. Von Google ist bekannt, dass vielleicht noch 2023, spätestens aber Anfang 2024 das Modell „Gemini“ veröffentlicht werden wird. Bei Meta (Facebook) wird an der dritten Generation der Llama-Modelle gearbeitet, die das Niveau von GPT-4 erreichen sollen – und als Open-Source-Software kostenlos (auch zum kommerziellen Einsatz!) bereitgestellt werden sollen. Das sind nur zwei aktuelle Beispiele, die Liste lässt sich leicht fortsetzen.

Es ist also sehr viel Bewegung in diesem neuen Markt der Künstlichen Intelligenz und es ist noch keineswegs ausgemacht, dass Microsoft mit seiner Lösung das Rennen machen wird.

Foto von Ed Hardie auf Unsplash.

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